Ikigai – weshalb Sie jeden Tag aufstehen
Mal ganz ehrlich: weshalb sind Sie heute morgen aufgestanden?
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Weil der Wecker geklingelt hat?
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Weil der Hund raus musste oder die Kinder zur Schule?
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Weil Sie Geld verdienen müssen?
Das Wort „Ikigai“ stammt aus dem Japanischen und setzt sich zusammen aus iki = Leben und gai = Wert. Ikigai bedeutet übersetzt in etwa „das, wofür es sich zu leben lohnt“, und beschreibt den Sinn Ihres Lebens, eben das, wofür Sie morgens aufstehen. Geprägt wurde der Begriff Ikigai auf der japanischen Insel Okinawa, wo die ältesten Menschen der Welt leben. Auf dieser Insel gibt es bemerkenswerterweise kein Wort für Ruhestand oder Rentner1.
Ikigai beschreibt die Schnittmenge aus vier Lebensbereichen (siehe Skizze) und um Ihr persönliches Ikigai zu finden, sollten Sie sich mit folgenden vier Fragen beschäftigen:
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Was liebe ich?
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Was kann ich gut?
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Wofür kann ich bezahlt werden?
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Was braucht die Welt (von mir)?
Die Überschneidung der Bereiche zeigt, welches Bedürfnis jeweils erfüllt wird. So gibt die Schnittmenge „Was ich liebe“ und „Was ich gut kann“ den Bereich an, in dem wir unsere Leidenschaft für etwas ausdrücken können, beispielsweise in Form eines Hobbys. Die Schnittmenge „Was ich gut kann“ und „Wofür ich bezahlt werde“ ist in den meisten Fällen der ausgeübte Beruf, unsere Profession usw. Wenn alle vier Bereiche miteinander im Einklang sind, erfahren wir unser eigenes Ikigai als zentrale Schnittmenge. Dabei kann es eine spannende Herausforderung sein, Antworten auf die Fragen und Überschneidungen der einzelnen Bereiche zu finden, denn diese sind bei jedem Menschen anders.
In meinem Beruf, der Projektkoordination bei Insight IMC, ist eine meiner Aufgaben die Erstellung der Kandidatenprofile, die wir unseren Mandanten präsentieren. Der Inhalt dieser Profile generiert sich aus den eingesandten Unterlagen, wie Lebenslauf, Motivationsschreiben und Zeugnissen, sowie dem ausführlichen persönlichen Interview mit einem unserer Berater. Ich selbst lerne die Kandidaten in der Regel nicht persönlich kennen, aber bei der Erstellung der Profile entdecke ich oft Hinweise auf deren (bewusste oder unbewusste) Suche nach ihrem Ikigai. Ein abgebrochenes Studium beispielsweise, ist nicht unbedingt ein Zeichen von Schwäche oder Versagen. Vielleicht hat der Kandidat2 entschieden, seine akademische Richtung zu ändern, weil er die Frage „Was liebe ich?“ bezüglich des Studiums mit „Nein“ beantwortete. Ähnlich verhält es sich mit der berüchtigten Lücke im Lebenslauf, die ein Indiz dafür sein kann, dass ein unerfüllter Bereich des Ikigai erfahren wurde. Jedes aufgeführte Hobby, ehrenamtliche Tätigkeiten, auch die Erwähnung von Kindern und Haustieren – all das können Antworten sein auf die Grundfrage „Wofür stehe ich heute auf?“.
Es sollte aber auch erwähnt werden, was Ikigai nicht ist. Es ist keine „Vision“, oder konkretes Ziel, auf das man hinarbeitet und schließlich Erfolg erntet, wie etwa eine Beförderung oder ein akademischer Titel. Ikigai wird täglich gelebt, bereitet Freude und ist sehr individuell.
Die Findung des eigenen Ikigai ist ein ganz persönlicher Prozess und falls Sie ihr eigenes Ikigai noch nicht kennen, sollten Sie durchaus mal auf Entdeckungsreise gehen.
1 Mehr zum Thema / Literaturhinweis: Lill, Felix (19.09.13). „Das Verschwinden der Hundertjährigen“, Die Zeit 39/2013. Abgerufen 28.10.20, von www.zeit.de/2013/39/japan-okinawa-alte
2 Im Interesse der besseren Lesbarkeit wird nicht ausdrücklich in geschlechtsspezifischen Personenbezeichnungen differenziert. Die gewählte männliche Form schließt die adäquate weibliche Form gleichberechtigt ein.